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Führt die Digitalisierung zum Untergang der Verbundgruppen?

Viele erfolgreiche Verbundgruppen haben in ihrer teils langen Firmengeschichte schon so manche weltpolitische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderung erlebt. Doch als komplexe Organisationen sind sie äußerst robust und widerstandsfähig. Mit der Digitalisierung wird es vielfach anders laufen. Sie ist nicht nur eine ernstzunehmende Herausforderung und greift eine Vielzahl der heutigen Verbundgruppen in ihrer Daseinsberechtigung an, sondern sie verändert die Geschäftsprozesse dramatisch. Das gilt für den Großhandel genau so wie für den Einzelhandel.
Verbundgruppen funktionieren nach dem Prinzip der Bündelung von Stärken. Im Einkauf und bei der Organisation zentraler Infrastrukturen funktioniert das gut. Aber gerade im E-Commerce ist Größe in Form von prominenter Google-Platzierung der wichtigste Faktor. Hier versagen die Verbundgruppen.

 

The winner takes it all – und Verbundgruppen bleiben auf der Strecke.

Aus ihrer Historie sehen Verbundgruppen ihre Kernkompetenz nach wie vor im Einkauf und der Abrechnung und überlassen das Thema Verkauf weitestgehend ihren Mitgliedern. Ohne Bündelung lässt sich online aber keine Reichweite erzielen und so dümpeln selbst einzelne Mitglieder mit hoher regionaler Reichweite in der digitalen Bedeutungslosigkeit. Hinzu kommt, dass eine auf Konsens und Gleichheit unter den Mitgliedern ausgerichtete Koopera-
tionskultur ebenfalls hinderlich ist.

Es gibt Kooperationen, die ihren Mitgliedern eigene Web-shops einrichten und diese subventionieren. Damit betreiben sie allenfalls eine Alibi-Politik und befriedigen die Wünsche ihrer Mitglieder, im Online Geschäft „dabei zu sein“. Ein ernsthaftes Online-Geschäftsmodell verfolgen sie damit nicht. Mit ihren vielen kleinen Webshops haben die Kooperationpartner keine reelle Chance gegen einigermaßen gut aufgestellte Webanbieter und partizipieren so kaum vom wachsenden Onlinehandel.

 

WEBSHOPS MÜSSEN DEN KUNDEN UND NICHT DEN ANBIETERN (MITGLIEDERN) GEFALLEN

Einen gemeinsamen bedeutenden Webshop aufzubauen trauen sich viele Zentralen nicht zu. Zu groß ist ihre Sorge vor den Protesten der Mitglieder, die jeden Cent Umsatz, den die Zentrale erwirtschaftet, als Konkurrenz sehen.

Weil sie sich über die Verteilung des Bärenfells nicht einig sind, fangen sie gar nicht erst an zu jagen. Stattdessen wird das Geschäft lieber reinen Onlinern oder zentral organisierten Wettbewerbern überlassen.

In der Vergangenheit haben das manche Zentralen dadurch „gelöst“, dass sie Webshops aufgebaut haben, die in erster Linie den Interessen ihrer Mitglieder entsprechen. Doch ein Shop, bei dem der Kunde erst seine Postleitzahl eingeben muss bevor er sich ein Produkt aussuchen darf, funktioniert nicht. Würden Sie in ein Geschäft gehen, wenn Sie noch vor dem Betreten dem Türsteher ihre Adresse nennen sollen?

 

ES FEHLT AN KNOW-HOW UND INVESTITIONSBEREITSCHAFT

Den Verbundgruppenzentralen fehlt es aber nicht nur an Durchsetzungsfähigkeit, sondern auch an digitalem Know-how. Die Entwicklung von eigenen Lösungen wird noch nicht als Kernkompetenz der Zentralen verstanden und so ist die Zahl der Verbundgruppen mit eigenen Entwicklungsabteilungen an zwei Händen abzuzählen.

Wenn ein reiner Onlinehändler wie Zalando mit knapp 3 Mrd. EUR Umsatz fast 2.000 Entwickler beschäftigt, dann zeigt das den enormen technologischen aber auch strategischen Abstand zu deutschen Handelskooperationen.

Unter großen „Geburtsschmerzen“ sind inzwischen einige ernstgemeinte Onlineportale von Kooperationen wie schuhe.de oder expert.de entstanden. Doch verglichen mit der enormen Investitionsbereitschaft, die Venture-Capital-Geber in Startups aus einer Handvoll Uniabsolventen stecken, erscheinen diese Versuche mehr als zaghaft. Ob die Zentralen ihrem eigenen Online-Geschäftsmodell nicht wirklich trauen?

 

E-COMMERCE FÖRDERT DIE ZENTRIFUGALKRÄFTE EINER KOOPERATION

Innerhalb vieler Verbundgruppen gibt es Mitglieder, die schon früh digitale Vertriebskanäle aufgebaut haben und über ihren Webshop oder Marktplätze erste Erfolge feiern. Doch anstatt dass sie in der Kooperation ihr Know-How teilen, zählen sie oft zu den größten Blockierern einer zentralen Lösung. Schließlich sehen sie ihre Kollegen online als Konkurrenten. So fördert der E-Commerce die Zentrifugalkräfte einer Kooperation, denn der digitale Wettbewerb kennt keine Vertriebsgrenzen.

Extreme Beispiele (keine Einzelfälle) sind Aufsichtsratsmitglieder von Verbundgruppen, die auf oberster Ebene alle gemeinsamen Onlinebestrebungen ihrer Zentrale bekämpfen, aus Angst um ihr (kleines) eigenes Onlinegeschäft.

 

DIE HERSTELLER SUCHEN DEN DIREKTEN WEG ZUM KUNDEN

Als wären die oben beschriebenen Probleme nicht schwierig genug, kommt hinzu, dass die Hersteller nicht warten, bis der Handel den Weg ins Onlinegeschäft gefunden hat. Online-Beschaffungsplattformen brauchen keinen Großhändler, um an die Ware zu gelangen. Markenartikler eröffnen heute nicht nur eigene Flagship-Stores sondern natürlich auch eigene Online-stores. Wer sollte bei Google wohl den ersten Platz für einen Markenartikel belegen, wenn nicht der Hersteller?

 

WELCHE VERBUNDGRUPPEN HABEN EINE ZUKUNFT?

Die meisten der großen Verbundgruppen haben in den letzten Jahren neben einem gemeinsamen Marketing auch ein eigenes Online-Geschäftsmodell aufgebaut. Mit einem funktionierenden Eigengeschäft oder einer starken Marke sind sie für die digitale Herausforderung recht gut aufgestellt. Allerdings nur dann, wenn sie die Durchsetzungskraft und Stärke haben, die richtigen Weichen zu stellen.

Verbundgruppen, die von politischen Befindlichkeiten oder einer trägen, kurz vor dem Ruhestand stehenden Gesell-schafterstruktur blockiert werden, werden es zunehmend schwerer haben, noch erfolgreich auf den digitalen Schnellzug aufzuspringen.

 

GUTE AUSSICHTEN:
VERBUNDGRUPPEN HABEN VORTEILE BEI DER DIGITALISIERUNG

1. Eine funktionierende dezentrale Struktur

Trotz aller Kassandrarufe gibt es noch Hoffnung. Viele Verbundgruppen haben eine hoch effektive Logistik und können durch ihre dezentrale Struktur einen flächendeckenden Service und eine Versorgung anbieten, die ihresgleichen sucht. Doch die dezentrale Struktur braucht einen gemeinsamen digitalen Vertriebsweg als Ergänzung und zur Abbildung ihrer Leistungsfähigkeit. Was bringt es mir als Kunde, wenn ich online nicht sehe, dass der von mir gewünschte Artikel beim Mitgliedsbetrieb um die Ecke direkt verfügbar ist?

2. Das Know-How der Unternehmer

Unternehmergeführte Betriebe haben durch die Kontinuität der inhabergeführten Struktur ein über Generationen aufgebautes Wissen. Digitale Strukturen können das Wissenskapital der Verbundgruppenmitglieder zu einem gemeinsamen Wettbewerbsvorteil ausbauen. Gerade im Handel haben hochwertige Produktdaten enormen Wert, doch die wenigsten Verbundgruppen nutzen agile oder kooperative Methoden, um einen gemeinsamen Datenbestand kontinuierlich anzureichern.

3. Die Flexibilität des Mittelstandes

Bei aller Trägheit sind Mittelständler eine zähe Spezies, die anpassungsfähiger ist, als mancher glaubt. Allerdings bewegen sich viele erst, wenn der Leidensdruck zu hoch wird. Heute noch geht es den meisten Mitgliedern noch vergleichbar gut, – gerade in der geschützten Umgebung einer Verbundgruppe. Zentralen sollten ihre Mitglieder nicht schonen und mit hart erarbeiteten Wachstumszahlen davon ablenken, dass die Gefahr der Disruption kontinuierlich wächst. Veränderungsprozesse, die in Konzernen mühsam oder schmerzhaft von oben nach unten durchsickern, könnten in Verbundgruppen eine ganz andere Dynamik entfalten, wenn die einzelnen unternehmergeführten Einheiten die Notwendigkeit zur Veränderung erkennen.

 

FAZIT: NOCH IST ES NICHT ZU SPÄT.

Mit neuen digitalen Technologien und Unternehmen wächst die Gefahr der Disruption in vielen Branchen, vor allem bei Verbundgruppen. Die meisten haben durch ihre dezentrale Organisation, ihr Konsensstreben und die starke Einkaufsorientierung besondere Hürden zu meistern. Ein funktionierendes digitales Geschäftsmodell haben bisher nur wenige Verbundgruppen gefunden. Und damit fehlt Ihnen eine klare Perspektive, wie sie auch in Zukunft ihren Mitgliedern Wettbewerbsvorteile schaffen können.

Diese strategische Unsicherheit sollten sie so schnell wie möglich beseitigen und sich der Frage stellen wie sie in einer digitalisierten Welt erfolgreich sein werden.

Mit ihrer gemeinsamen Stärke, dem tiefen Marktverständnis und der hohen Flexibilität ihrer mittelständischen Unternehmer haben Verbundgruppen auch bei der Digitalisierung Ihrer Branche durchaus strategische Vorteile. Diese Vorteile zu nutzen wird über den Erfolg und das Fortbestehen einer Kooperation entscheiden.

Veröffentlicht am:
30.09.2017
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