Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier. Gewohnheiten erleichtern uns das Leben, indem sie Entscheidungen automatisieren. Sie sind die Dinge, die wir so lange tun, bis sie zur Selbstverständlichkeit werden. Oder: Bis wir sie nicht mehr tun... So wie jetzt mit dem Analyse-Tool von Google Analytics. Aber noch einmal zurück zum Menschen, dem alten Routinewesen. Wir brauchen Gewohnheiten und ändern diese auch nur bedingt. Egal, ob es um die Wahl des Stromversorgers, die Bank des Vertrauens oder die passende Plattform für Webanalyse geht – wir bleiben am Ende doch lieber beim Altbekannten. Obwohl gerade jetzt der perfekte Zeitpunkt wäre, um den eigenen Bedarf an Tracking-Daten kritisch zu hinterfragen. Warum? Am 1. Juli 2023 wird Universal Analytics zu Google Analytics 4 (GA4). Was das für Sie, für uns und generell bedeutet, erfahren Sie im folgenden Blogbeitrag.
Warum sich ein Blick über die Google-(Analytics 4)-Welt hinaus lohnt
Sie haben bereits E-Mails von Google erhalten – aber noch keine konkrete Entscheidung getroffen – und die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, einen Blick über den Tellerrand der Google-Welt zu wagen, schwirrt Ihnen auch noch im Kopf herum? Obwohl wir uns als Werbeagentur längst für ein Webanalyse-Tool entschieden haben, möchten wir Sie trotzdem über News aus der Marketing-Welt auf dem Laufenden halten.
Im Marketing sind Daten von Nutzerinnen und Nutzern wie das Salz in der Suppe. Ohne sie fällt die Entwicklung von kundschaftsbezogenen Kampagnen schwer. Doch hier ist Sensibilität gefragt. Eine gezielte und effektive Sammlung der entscheidenden Informationen ist das A und O. Besonders in Bezug auf die Datenschutzrichtlinien hat sich in letzter Zeit einiges getan. Google Analytics hat in diesem Zusammenhang für negative Schlagzeilen gesorgt und Teile der Bevölkerung verunsichert.
Die Frage nach einer passenden und vor allem datenschutzkonformen Tracking-Strategie bleibt also bestehen. Wir sind der Meinung, dass es längst nicht mehr zwingend erforderlich ist, sich und seine Daten im System-Käfig eines amerikanischen Konzerns einsperren zu lassen. Ausbrechen ist die Devise – alte Muster durchbrechen und anders denken, das Motto. Aber gut, schauen wir uns das neue Update von Google doch mal genauer an.
GA4: Nur ein Update oder doch ein ganz neues Tool?
Veränderungen erfordern bekanntlich Zeit. Da Google Analytics 4 mit einem ganz neuen Konzept daher kommt, können wir eins schon vorwegnehmen: Wir sollten bei der Umstellung auf GA4 eher von einem neuen Tool als nur von einem Update ausgehen. Deshalb bieten wir Ihnen hier direkt die erste Zeitersparnis und zeigen, was sich alles in der Google-Welt getan hat. Mensch, bist du groß geworden…
Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Sobald man GA4 öffnet, springt einem direkt die veränderte Benutzungsoberfläche ins Auge. Im Vergleich zu Universal Analytics ist diese deutlich schlanker und aufgeräumter. Für eine bessere Nutzungserfahrung wurden einige Ansichten und Bereiche dafür entfernt oder ersetzt. Darüber hinaus gibt es auch völlig neue Bereiche, wie die "Explorative Datenanalyse". Hier erhält man detailliertere Informationen als in den Standardberichten, die tiefere Einblicke in das Nutzungsverhalten ermöglichen. Durch eine ausführliche Aufschlüsselung und Untersuchung der Daten lassen sich somit auch komplexere Analysefragestellungen beantworten.
Zudem fallen schnell neue Begrifflichkeiten auf. Aus „Verhalten“ wurde „Engagement“, aus „Segment“ wurde „Vergleich“ und aus „Kanäle“ wurde „Nutzergewinnung“.
Tauchen wir etwas tiefer in die Materie ein: Die wohl größte Änderung betrifft das neue Datenmodell. Universal Analytics und GA4 bedienen sich zwei völlig unterschiedlicher Modelle, die sich in der Datenerfassung grundlegend unterscheiden. Während Universal Analytics auf einem sitzungs- und seitenaufrufbasierten Datenmodell stützt, beruht GA4 auf einem ereignisbasierten Modell. Bedeutet konkret: Dort, wo es in Universal Analytics um Sitzungen ging, erfasst GA4 alle Interaktionen der Nutzer:innen als eigenständige Ereignisse. Diese werden in einem Datenstream gesammelt und in Google Analytics 4 Property in vier Kategorien unterteilt und angelegt.
Warum Geduld und Anpassungsfähigkeit bei GA4 gefragt sind
Die erste Kategorie beinhaltet automatisch erfasste Ereignisse, die nicht manuell aktiviert werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel Ereignisse wie "first_visit" (erster Besuch), "session_start" (Sitzungsbeginn) und "user_engagement" (Nutzereinbindung). Die zweite Kategorie umfasst Ereignisse für optimierte Analysen. GA4 sammelt auch diese Ereignisse automatisch, allerdings müssen "optimierte Analysen" in den Einstellungen des Datenstreams aktiviert sein. Beispiele für solche Ereignisse sind Klicks auf externe Links, Scrollen, Dateidownloads, Website-Suche, Interaktionen mit Videos oder Formularen. Die dritte Kategorie sind empfohlene Ereignisse. Diese sind in GA4 nicht automatisch eingerichtet und sollten auf Empfehlung von Google manuell konfiguriert werden. Beispiele für empfohlene Ereignisse sind "sign_up" (Registrierung), "login" (Anmeldung) oder "purchase" (Kauf). Die vierte Kategorie umfasst benutzungsdefinierte Ereignisse. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die von Nutzer:innen selbst definiert und implementiert werden. Sie werden dann gebraucht, wenn das gewünschte Ereignis nicht in den ersten drei Kategorien erfasst wird. Für die Implementierung benutzungsdefinierter Ereignisse sind allerdings Programmierkenntnisse erforderlich, da ein individueller Code geschrieben werden muss.
Herausforderungen und Chancen für Analyseprofis
Die Umstellung auf das neue Datenmodell beeinflusst den Fokus der Webanalyse. Seitenaufrufe und Sitzungen rücken in den Hintergrund. Sie sind zwar immer noch vorhanden, verwenden muss man sie allerdings nicht. Im Vordergrund der modernen Analyse stehen ganz klar die Nutzer:innen und Ereignisse. Das Tracking und die Auswertung der Interaktionen der User:innen hat sich somit verändert. Die Datenstruktur wurde dabei bedeutend modernisiert. Für jede erfasste Interaktion von Nutzerinnen und Nutzern werden mehr Informationen gespeichert, sodass diese hinterher deutlich flexibler ausgewertet werden können.
Mit Google Analytics 4 richtet sich das Tool an hauptsächlich erfahrene Nutzer:innen, die nicht nur vorgefertigte Reports sehen wollen, sondern tiefer in die Datenanalyse eintauchen möchten. Vertraute Berichte und bekannte Kennzahlen fehlen entweder komplett oder müssen über komplexe individuelle Einstellungen nachgebildet werden.
Der Blick in die Glaskugel verrät uns: Die Nutzung von GA4 wird gerade zu Beginn nicht reibungslos sein und mehr Zeit in Anspruch nehmen, bis man sich an die neue Aufteilung und die zahlreichen Begriffsänderungen gewöhnt hat.
Datenschutz nicht vergessen!
Seit der Einführung der DSGVO ist der Datenschutz ein großer Kritikpunkt an Google Analytics. Das Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre gewinnt weltweit an Bedeutung, weshalb User:innen mehr und mehr die Nutzung und Weitergabe ihrer Daten ablehnen. Auch Google musste reagieren und mit GA4 Anpassungen vornehmen. Ganz wichtig dabei: IP-Adressen werden nicht mehr gespeichert und auch Standortdaten können manuell deaktiviert werden. Die Vorgänger-Version sammelte standardmäßig die IP-Adressen der Nutzer:innen, was gegen den europäischen Datenschutz verstieß, da diese als persönlich identifizierbare Information angesehen werden und gesetzlich geschützt sind. Die Funktion zur Aktivierung der IP-Anonymisierung musste in der vorherigen Version manuell angeklickt werden. Bei GA4 ist diese hingegen standardmäßig aktiviert und kann nicht deaktiviert werden. Aus Sicht der Datenschutz-Grundverordnung stellt dies die wichtigste Änderung in GA4 dar. Google behauptet so, dass keine persönlichen Daten gesammelt werden.
Hürden und Lücken trotz neuer Funktionen
Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass die IP-Anonymisierung von Google Analytics nicht ausreicht. Diese betrifft nur die IP-Adressen selbst, während Daten wie Online-Identifikatoren, die über Cookies oder Gerätedaten gesetzt werden, von Google im Klartext übertragen werden. Zudem findet die IP-Anonymisierung erst nach der Übertragung der Daten an Google statt. Das bedeutet, dass Google Analytics weiterhin personenbezogene Daten sammelt. First-Party-Cookies kommen zum Einsatz und die Aufbewahrungsdauer der Daten wurde auf maximal 14 Monate begrenzt. Diese Funktion hilft den Nutzerinnen und Nutzern, den Grundsatz der Speicherungsbegrenzung gemäß DSGVO einzuhalten, da Daten nur so lange aufbewahrt werden dürfen, wie es unbedingt erforderlich ist. Google Signals kann deaktiviert werden, um eine Zuordnung zu einem Google-Konto zu unterbinden und auch personalisierte Anzeigen, die im Rahmen von Remarketing-Kampagnen verwendet werden, können komplett deaktiviert oder nach Land ausgesteuert werden. Ist GA4 durch die DSGVO also nun eine sichere Nummer geworden? Ganz klar: Nein. Obwohl einige datenschutzfreundliche Funktionen hinzugefügt wurden, muss Google den Datenschutz zwischen der EU und den USA regeln, da der Privacy-Shield-Rahmen 2020 außer Kraft gesetzt wurde. GA4 bietet keine Funktion zur Datenspeicherung innerhalb der EU oder zur Auswahl eines bestimmten regionalen Speicherorts. Google informiert die Nutzer:innen auch nicht über Datenspeicherorte oder -übertragungen außerhalb der EU, was einen direkten Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung darstellt. Die Datenverarbeitungsvereinbarung mit Google zur eingeschränkten Datenübermittlung löst dabei das Problem nicht vollständig – lohnt sich also die Umstellung auf GA4?
Jetzt mal Butter bei die Fische
Tick tack: Das Abschaltdatum von Universal Analytics rückt immer näher. Ab dem 1. Juli 2023 werden keine Treffer mehr verarbeitet und die bestehenden Tracking-Implementierungen funktionieren nicht mehr. Um ein lückenloses Tracking zu gewährleisten, muss dieses bis spätestens zu diesem Datum neu konfiguriert werden. Die bisher in Universal Analytics gesammelten Daten sind noch bis ca. Ende 2023 abrufbar, können aber nicht in Google Analytics 4 übernommen werden. Wichtige Reportings für Auswertungszeiträume vor der Einrichtung des Google Analytics 4 Trackings sollten daher als PDF- oder Excel-Dateien gesichert werden, solange der Zugriff auf die Universal Analytics Property noch besteht.
Diese Fristen gelten für Nutzer:innen, die das kostenlose Analytics-Tool verwenden. Für Unternehmen, die mit dem kostenpflichtigen Tool Google Analytics 360 arbeiten, gelten verlängerte Fristen – Sie haben ein Jahr länger Zeit.
Entgegen der Aussage von Google erfordert die Umstellung mehr Aufwand als nur ein paar Klicks. Neben den Seitenaufrufen muss sichergestellt werden, dass auch alle relevanten Nutzungsinteraktionen wie erfolgreich abgeschickte Formulare, Produktinteraktionen und Bestellungen erfasst werden. Auch das Tracking darf nur nach Zustimmung der Nutzer:innen über einen Cookie-Consent-Banner ausgelöst werden.
Einmal über den Tellerrand hinaus, bitte!
Die aktuellen Entwicklungen geben einen guten Anlass, den Einsatz von Webanalyse-Tools zu überdenken. Das Prinzip der Datensparsamkeit sollte aber dabei grundsätzlich gelten: Es sollten nur Daten erfasst werden, die auch wirklich einen Nutzen haben.
Die Umstellung auf Google Analytics 4 und die damit verbundenen Aufwände sollten generell hinterfragt werden, wenn nie zuvor mit Google Analytics gearbeitet wurde und auch Mitarbeitende oder Dienstleister:innen die Daten auswerten. Oftmals reichen kostenlose und datenschutzrechtlich unbedenkliche Datenquellen wie Server-Logfiles, um grundlegende Erkenntnisse über den allgemeinen Website-Traffic, Bestellungen, Umsätze und Lead-Formulare zu erhalten. Auch die Googles Search Console kann Informationen zur Leistung der Domain in der organischen Google-Suche liefern.
Soll doch mit einem Tracking-Tool gearbeitet werden, dann lohnt sich das Out-of-the-Google-box-Denken definitiv. Es gibt mittlerweile viele Anbieter, die ähnliche Funktionen wie Google Analytics zur Verfügung stellen. Wichtige Voraussetzung für ein alternatives Tracking-Tool ist dabei immer die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen. Damit dies gelingt, ist es essenziell, dass die Datenspeicherung für Tracking-Daten ausschließlich in der EU stattfindet, am besten sogar in Deutschland. Es darf kein Zugriff von Dritten auf diese Tracking-Daten gewährt werden. Das ausgewählte Tool sollte zudem kompatibel mit gängigen Einwilligungslösungen sein, um die Einhaltung der Datenschutzrichtlinien zu gewährleisten. Des Weiteren sollten Optionen zur Begrenzung der Datenaufbewahrung und zum Löschen von Datensätzen verfügbar sein, um die Kontrolle über die gesammelten Daten zu behalten.
Fazit – Bye-bye GA4, hello Matomo! Datenschutz ohne Kompromisse
Ein Anbieter, der diese Anforderungen erfüllt, ist Matomo Analytics. Mit Matomo können alle Systemkomponenten auf einem eigenen Tracking-Server in Deutschland betrieben werden, auf dem auch die gesammelten Daten gespeichert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass keine Daten mit anderen Systemen ausgetauscht werden. Gleichzeitig behält man die volle Kontrolle über die Tracking-Daten und kann sie ähnlich wie bei Google Analytics analysieren und bei Bedarf in andere Systeme exportieren. Die Implementierung der Tracking-Konfigurationen erfolgt ähnlich unkompliziert wie bei Google Analytics über eine Tag-Manager-Lösung.
Good to know: Erfahrungen aus vielen Umstellungsprojekten zeigen, dass sich Google-Analytics-Nutzer:innen schnell auf der Matomo-Oberfläche zurechtfinden können. Und selbst wenn es nicht sofort klappt, ein bisschen Matomo-robics schaden nicht.
Was ist jetzt zu tun? Da gibt es eigentlich nur entweder… oder…: Entweder Sie stellen auf GA4 um, aber die rechtliche Unsicherheit bleibt weiterhin bestehen. Oder Sie verzichten auf Google Analytics und ersetzen es durch ein Tool, das alle EU-Datenschutzstandards erfüllt. Mit einem Wechsel sind Sie definitiv auf der sicheren Seite und auch die Nutzung eines Alternativ-Anbieters ist schnell umgesetzt. Daten sind und bleiben ein sensibles Gut in der Welt der Klicks und Cookies. Sie sind sicher zu behandeln, weshalb sich Tools mit Datenschutzgarantie umso mehr eignen. Daten-Redflags braucht schließlich niemand.
Datenschutz ist Ihnen genauso wichtig wie uns? Wir unterstützen Sie bei der Betreuung, Analyse und Optimierung Ihrer Websites, denn wir wissen aus Erfahrung, welche technischen Aspekte schwierig sein können und helfen gerne diese von Anfang an zu berücksichtigen.